PM vom 10. März 2020: Morgige Abschiebung nach Afghanistan - Amtsgericht kann nicht bis zehn zählen

Mensch zu lang im Ausreisegewahrsam, Gericht muss schnell entscheiden

Momentan sitzen nach Kenntnis der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden drei Personen afghanischer Staatsbürgerschaft in der Abschiebungshaftanstalt Dresden. Sie werden für den Flug am 11. März vorgesehen sein. Das Datum hatte der Bayerische Flüchtlingsrat e.V. veröffentlicht. Das Amtsgericht muss in einem Fall schnell handeln, bestehen dort doch offensichtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung. Gegebenenfalls ist das Landgericht in der Pflicht, noch heute über den Fall des Vaters eines Kindes zu entscheiden.

Ausreisegewahrsam wird euphemistisch gern als die "Abschiebehaft light" bezeichnet, denn er darf maximal zehn Tage währen. Herr R., afghanischer Staatsbürger, wurde am 28. Februar inhaftiert, juristisch befindet er sich im Ausreisegewahrsam, faktisch in der Abschiebungshaftanstalt Dresden. "Schon am 28. Februar muss dem Amtsgericht Dresden klar gewesen sein, dass etwas faul ist." Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden muss noch nicht einmal in den Kalender schauen, um zu wissen, dass bis zur nächsten Sammelabschiebung nach Afghanistan nach dem 28. Februar mehr als zehn Tage liegen. Die Abschiebung findet morgen statt. Das Amtsgericht hatte den Ausreisegewahrsam bis zum 07. März angeordnet. Fraglich war nun, was am 08. März geschehen würde. "Wir vermuteten schon, dass der Freistaat Sachsen sich der Freiheitsberaubung schuldig gemacht." berichtet Kreischen." Für den Inhaftierten war die Aussicht auf eine mögliche Freilassung verbunden mit der dann folgenden Verlängerung des Ausreisegewahrsams zudem eine immense psychische Belastung.
Am Sonntagmorgen des 08. März besuchte ein Mitglied der Kontaktgruppe die Haftanstalt, um ein letztes Mal zu schauen, was nun vor sich geht. Herr R. präsentiert dort einen weiteren Haftbeschluss - vom 03. März, Gewahrsam angeordnet bis zum 12. März. "Der Beschluss wurde Herrn R. erst am 08. März überreicht, er konnte sich nicht effektiv gegen seine Freiheitsentziehung wehren. Dabei ist das erster und höchster Grundsatz eines Rechtsstaats, gerade bei Haftsachen!" so Kreischen. Herr R. hat weiterhin ein Kind. "Hier liegt schon der eigentliche Skandal: ein Kind soll seinen Vater an den Krieg in Afghanistan verlieren." kommentiert Kreischen. "Die Abschiebepraxis ist am Rande des Wahnsinns."

Sechs Punkte offensichtlicher Rechtswidrigkeit

Die Haftbeschwerde, die die Kontaktgruppe eingelegt hat, fußt auf den folgenden Punkten:

  • Die maximale Länge des Ausreisegewahrsams von zehn Tagen wurde überschritten.
  • Eine Verlängerung des Ausreisegewahrsams ist nach Gesetz nicht vorgesehen.
  • Der Beschluss wurde Herrn R. bei der Anhörung am 28. Februar nicht korrekt übersetzt. Gerade und ausgerechnet bei der Haftdauer kam es zu einem Fehler.
  • Der zweite Beschluss wurde nicht unverzüglich ausgehändigt. Schneller und unverzüglicher Rechtsschutz kann so nicht gewährleistet werden.
  • Es ist nicht bekannt, welche Behörde den Antrag gestellt hat. Herr R. weiß nicht einmal, wer die Gegnerin in seinem Haftverfahren ist.
  • Ausreisegewahrsam kann grundsätzlich nicht in einer geschlossenen Einrichtung wie der Haftanstalt vollzogen werden. Eigentlich muss er in oder in der Nähe eines Flughafens durchgeführt werden.

 

"Unterm Strich: das Amtsgericht darf nicht weiter zögern. Wenn es dem Beschluss nicht von selber abhelfen will, muss es die Entscheidung unverzüglich an das Landgericht übertragen. Dann muss eben die übergeordnete Instanz die Rechte von Herrn R. wiederherstellen." Auch für die anderen beiden Inhaftierten afghanischer Staatsbürgerschft erwartet die Kontaktgruppe schnelle Entscheidungen.


Kontakt:
Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden
Toni Kreischen
Mail: kontakt@abschiebehaftkontaktgruppe.de
www.abschiebehaftkontaktgruppe.de