Trotz rechtlichem Anspruch: Inhaftierte in der Abschiebehaft Dresden werden über Rechtsberatung nicht ausreichend informiert

Die Landesdirektion unterbindet die Möglichkeit zu unabhängigen Beratungsangeboten

Die Abschiebehaftkontaktgruppe übernimmt die Information nun selbst und mietet eine Plakatwand gegenüber der Einrichtung. Am 14.10.2021 um 17 Uhr wird eine Kundgebung vor der Abschiebehaft in Dresden, Hamburger Straße 15, stattfinden.
Das anhängende Motiv wird ab dem 12.10. oder 13.10. auf der Plakatwand gegenüber der Abschiebehafteinrichtung zu sehen sein.

 

In § 4 des Sächsischen Abschiebungshaftvollzugsgesetzes ist es klar geregelt: "Untergebrachte erhalten Informationen über eine Rechtsberatung sowie auf Wunsch eine durch die Einrichtung vermittelte, kostenlose ausländerrechtliche Rechtsberatung.". Dennoch - so die Erfahrung der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden - erfahren die Inhaftierten nicht zuverlässig von der kostenfreien Rechtsberatung. Die Abschiebehaftkontaktgruppe geht nun einen anderen Weg: für insgesamt 10 Tage im Oktober hat sie eine Plakatwand gegenüber der Abschiebehafteinrichtung gemietet, auf der die Inhaftierten in verschiedenen Sprachen auf das Beratungsangebot aufmerksam gemacht werden.

 

Haft ohne Straftat und ohne Zugang zu Beratung

 

Fast 300 Menschen waren in der Abschiebehaft Hamburger Straße seit Inbetriebnahme der Einrichtung im Dezember 2018 untergebracht. Die Abschiebehaftkontaktgruppe hat in diesem Zeitraum mehr als 260 Beratungen ehrenamtlich durchgeführt. Doch in den letzten Monaten erreichen die Gruppe nur noch wenige Anfragen. Geringere Inhaftierungszahlen sind hierfür keine hinreichende Erklärung: Beispielsweise legen Kleine Anfragen der Partei Die Linke offen, dass im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 64 Menschen in der Abschiebehaft saßen.

 

"Abschiebehaft ist Freiheitsentzug über Tage, Wochen oder Monate und damit der größtmögliche Eingriff in die Grundrechte eines Menschen. Wir nehmen nicht hin, dass die Menschen über ihr Recht auf kostenfreie Rechtsberatung nicht zuverlässig und verständlich aufgeklärt werden", so Toni Kreischen, Sprecher:in der Abschiebehaftkontaktgruppe. "Unser Angebot kommunizieren wir in der Einrichtung über mehrsprachige Flyer, doch aus unseren letzten Beratungen wissen wir, dass die Inhaftierten diese selten zu Gesicht bekommen und nur unzuverlässig, oftmals viel zu spät, von uns erfahren."

 

Ein Sprachrohr für die Betroffenen

 

Neben der Rechtsberatung ist die emotionale Unterstützung der Inhaftierten wichtig. Insgesamt 13 Suizidversuche und Selbstverletzungen sind in der Abschiebehaft Dresden bekannt geworden. Die Abschiebehaftkontaktgruppe hat außerdem auf Misshandlungsvorwürfe in der Einrichtung aufmerksam gemacht und die deutliche Kritik mehrerer Inhaftierter an den Haftbedingungen an die Öffentlichkeit getragen (u.a. hier und hier). "Es ist uns ein Anliegen, den Inhaftierten zuzuhören und für sie zum Sprachrohr zu werden, wenn sie sich selbst nicht öffentlich äußern können. Die Abschiebehaft darf keine Blackbox sein. Was hinter den Zäunen geschieht, darf nicht dort bleiben, sondern muss nach außen dringen", erläutert Kreischen.

 

Forderung nach regelmäßigen Beratungszeiten, Kundgebung am 14.10.

 

Die Plakataktion, über die die Abschiebehaftkontaktgruppe in mehreren Sprachen ihr Beratungsangebot kommuniziert und den Inhaftierten eine Kontaktmöglichkeit anbietet, kann nur eine Zwischenlösung sein. Die Gruppe fordert ein wöchentliches Beratungsangebot zu festen Zeiten, zu dem sich die Inhaftierten freiwillig anmelden können und hofft auf Gesprächsbereitschaft vonseiten der Einrichtungsleitung.

 

Wir laden ein zu unserer Kundgebung vor dem Abschiebeknast (Hamburger Straße 15 Dresden) am Donnerstag, den 14.10.2021, um 17 Uhr.

 Korrektur: In einer ursprünglichen Version der PM hieß es, dass im 1. Halbjahr 2021 66 Menschen in der Abschiebehaft inhaftiert waren. Richtig sind jedoch 64 Menschen, vgl. auch die vom Sächsischen Flüchtlingsrat veröffentlichten Zahlen und Grafiken: https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/de/publikationen/zahlen-und-grafiken/

 

Kontakt
Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden
Toni Kreischen
Mail: kontakt@abschiebehaftkontaktgruppe.de
www.abschiebehaftkontaktgruppe.de